Text: Dr. Annegret Kehrbaum

Kulturkirche Markuskirche_Elke Maier 2017_Kuenstl. Grundlagen_30.11.16_AK

Elke Maier: Lichtungen_Raumintervention in der Kulturkirche Markuskirche, Hannover-List 

06.08.-17.09.2017

Künstlerische Grundgedanken zu Elke Maiers Arbeit AK, 30.11.16

Elke Maier (geb. 1965) arbeitet mit Licht, das sie mit Hilfe von weißen Fäden einfängt. Ausgangsmaterial ist feines weißes Nähgarn, das sie in Tausenden von Metern im Raum verspannt. Die Fäden sind so befestigt, dass weder genau zu sehen ist, wo sie beginnen, noch wo sie enden. Während des langen Entstehungsprozesses einer Raumintervention erkundet die Künstlerin den Raum, erprobt seine Wirkungen, verfolgt das Licht in seiner Bewegung, um daraus die entscheidenden Spannungspunkte und Linienführungen zu entwickeln. Das Garn dient zur Sichtbarmachung des Lichts, da Licht Materie braucht.

Auch in dunkleren Räumen bahnt sich das Licht seinen Weg. Fast mehr noch als die Feierlichkeit eines von der Sonne produzierten großflächigen Erstrahlens interessiert die Künstlerin die Wahrnehmung minimaler Lichtverhältnisse, bis hin zu der Frage, ob vielleicht nur das Leuchten eines einzigen Fadens genügt, um für die im Raum Anwesenden die Präsenz der Gesamtheit der Fäden erfahrbar zu machen.

Ist die Intervention einmal fertiggestellt, so handelt es sich wiederum um veränderliche, nie gleiche Raumerlebnisse, durch die der Betrachter den Raum immer wieder neu erlebt: "Es ist nicht feste Form, sondern Prozess, sichtbarer Niederschlag von Spuren einer Bewegung im Raum, wobei Kunstwerk und Raum keine Polarität bilden." (Elke Maier, zit. n. DER STANDARD, 22.12.2010) Gerade beim vorsichtigen Durchschreiten des Raums wird dessen geheimnisvolle Verwandlung erlebbar. Der Raum wird ein Ort der Kontemplation, der beim Betrachter unwillkürlich Fragen nach Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, nach Zeit- und Wirklichkeitserleben aufkommen lässt. "Da kann Transzendenz durchaus als etwas sehr Konkretes erfahrbar sein."     

(Elke Maier, Katalog "Ins Licht getaucht", Galerie Weihergut, Salzburg 2011, S. 6)

weiterführende Literatur:                                                                                                                      Katalog: Elke Maier - Lichtungen. Eine Raumintervention in der Markuskirche Hannover.                            Hrsg. Evangelisch-lutherische Apostel- und Markus-Kirchengemeinde. Konzept und Essay von Annegret Kehrbaum, mit einem Interview von Annegret Kehrbaum mit Elke Maier.  Hannover 2017.

aus: 04/2017  kunst und kirche 

Lichtungen

Annegret Kehrbaum

"Lichtungen" - unter diesem Titel erlebten Besucherinnen und Besucher der ev.-luth. Markuskirche in Hannover im Sommer 2017 eine große Raumintervention der Künstlerin Elke Maier. Mit dem Ort der 1906 erbauten, neoromanisch geprägten Markuskirche vollzog sich das Projekt in einer der vier "signifikanten" Kulturkirchen der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, die unter dem Dach der Hanns-Lilje-Stiftung von 2013 bis 2017 

Vier Wochen lang verspannte Elke Maier (geb. 1965, Studium der Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste in München, lebt und arbeitet in Gmünd/Österreich) im Kirchenschiff der Markuskirche gut 30.000 Meter feines weißes Baumwollgarn. Vor dem Projekt in Hannover hatte die Künstlerin bereits unter anderem in Graz, Innsbruck, Berlin, Würzburg, Salzburg und Wien das Grundprinzip ihrer Arbeit erprobt: Durch tausende von weißen Fäden erschafft sie einen visuell-visionären Kunstraum im konkreten architektonischen Raum.

In Hannover antwortete Elke Maier auf den asymmetrischen Grundriss der Markuskirche mit einem gleichfalls asymmetrischen Raum-Faden-Konzept, das an einem einzigen Punkt in etwa 14 Meter Höhe aufgehängt war. Auf einem hohen Gerüst musste sie Faden für Faden durch die Aufhängung ziehen, vorsichtig in den Raum hinab lassen und anschließend unter Spannung im Boden verankern. Bewegungen des natürlichen Lichts wiesen der Künstlerin den Weg zu den Punkten, an denen sie die zarten Fäden befestigte. Diese kräftezehrende Arbeit geschah während der niedersächsischen Sommerferien bei geöffneten Türen - viele Passanten und Touristen zeigten sich bei einer Zufallsvisite in der Kirche freudig-überrascht, zückten ihre Kameras und beobachteten die Arbeit der Künstlerin. Am Ende der Sommerfe- rien war die allmähliche Transformation des Raums vollzogen und die Raumintervention ließ sich nicht nur in den Gottesdiensten, sondern auch während eines geregelten Ausstellungsbetriebs samt Begleitprogramm wirkungsvoll erleben.

Es gibt Kunstwerke, die unsere Wahrnehmung so sehr herausfordern, dass unsere geschärften Sinne das Schauen und Raumerleben zu einem fast selbstvergessenen Akt perzeptiver Reflexion werden lassen. Das dadurch ausgelöste intensive Schauen, Fühlen und Denken führt den Betrachter unwillkürlich zu existenziellen Erfahrungen. Unmerklich und unmittelbar wird auch beim Erleben von Elke Maiers Fadeninstallation aus Sinneserfahrung eine zutiefst persönliche Sinnerfahrung: Die im Raum verspannten Fäden sind für den Betrachter physisch spürbar, das wandernde und in seiner Intensität wechselnde Naturlicht wird in verschiedensten Graden reflektiert. Bewegt man sich in und um die Fäden herum, verschwimmen die Tiefenabstände vor den Augen und man gerät vorantastend ins Staunen.

Es ist wahrscheinlich dieses Moment des Erlebens einer fast absoluten Wahrnehmung und der damit verbundenen Transzendenzerfahrung, das die Rauminterventionen von Elke Maier gerade für sakrale Projekte so interessant macht. Maier sucht den Dialog mit dem architektonischen Raum, sie möchte mit ihrer künstlerischen Arbeit "etwas ins Herz des Ortes einpflanzen", wie sie sagt. Land Art-Projekte wiesen ihr den Weg zu einer Kunstauffassung, bei der sie die zu entwickelnde künstlerische Gestalt "nicht als Grenze, sondern grenzenlos, als Prozess, als ein Moment innerhalb universeller Bewegungen" denkt. Das Ziel ihrer Eingriffe in den Raum (Rauminterventionen) versteht sie als Aneignung von Wirklichkeit und Annäherung an das Nicht-Vertraute in einer Dimension, die jenseits der Sprache angesiedelt ist. Kontrapunktisch zu der Licht-Faden-Installation im Kirchenschiff, doch ebenfalls als eine abstrakt geformte Interaktion mit einem Kirchenraum wurden zeitlich parallel zu "Lichtungen" in der benachbarten Kapelle der Markuskirche Gemälde des Braunschweiger Malers Lienhard von Monkiewitsch gezeigt. Monkiewitschs vom schwarzen Pigment dominierte Farb- räume verwandeln die berühmten Fibo- nacci-Zahlen in geometrische Flächen- kompositionen von großer Ruhe und Tiefe. Unter dem Titel "Maß und Empfindung" standen seine Gemälde als eine eigene Raumformung in fruchtbarem Kontrast zum Prinzip maximalmöglicher Lichtreflexion in Elke Maiers Arbeit.

Zur Ausstellung wurden Gottesdiens- te, Vorträge, Musikveranstaltungen und eine eigens für "Lichtungen" entwickel- te Tanz-Performance veranstaltet, zu- dem gab es Führungen und künstleri- sche Vermittlungsprojekte für Kinder und Jugendliche. Ein synästhetischer Höhepunkt präsentierte sich in einem Gottesdienst in Form einer musikalisch- räumlichen Auseinandersetzung mit Elke Maiers Fadeninstallation durch den Ausnahme-Trompeter Markus Stockhausen und die Klarinettistin Tara Bouman. Die Zitate stammen aus dem Katalog "Elke Maier: Lichtungen", herausgegeben von der Ev.-luth. Apostel-und-Mar- kus-Kirchengemeinde Hannover. 

Kat. Elke Maier - Lichtungen. Eine Raumintervention in der Markuskirche Hannover. Hrsg. Evangelisch-lutherische Apostel- und Markus-Kirchengemeinde. Konzept und Essay von Annegret Kehrbaum, mit einem Interview von Annegret Kehrbaum mit Elke Maier. Hannover 2017.

!Kehrbaum, Annegret: "Temporäre Kunst im Kultraum: Transzendenz-Erleben als Wahrnehmungsdialog von Kultur und Religion", in: Minta, Anna (Hrsg.): "Raumkult – Kultraum. Architektur und Ausstattung im posttraditionalen Gemeinschaften", Tagungsband zur Tagung in der Kath. Privat-Universität Linz, 15.-17.3.2018. Bielefeld: Transcript- Verlag 2018, S. 235-249. über Elke Maiers Raumintervention "Lichtungen" in der Markuskirche Hannover

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